Liebe Leser*innen,
der politische Wind in Deutschland und der EU hat sich gedreht – der Backlash gegen unternehmerische Verantwortung ist deutlich spürbar. Was lange als Fortschritt galt, steht nun wieder zur Disposition – mit weitreichenden Folgen für Menschenrechte, Umwelt und Rechtsstaatlichkeit.
Die Deregulierungsagenda der EU wird mit dem Omnibus-I-Paket deutlich: Vorgesehen sind massive Abschwächungen beim EU-Lieferkettengesetz (CSDDD) und bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD). In Deutschland wiederum nimmt Kanzler Friedrich Merz das Lieferkettengesetz (LkSG) ins Visier: Statt dies durch nötige Reformen zu verbessern, fordert er dessen Abschaffung.

Ähnlich reaktionär geht es im Finanzsektor zu, wo Nachhaltigkeit und die Rüstungsindustrie neuerdings nicht mehr unvereinbar sind. Warum auch die Entwicklungsfinanzierung menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten unterliegen muss, zeigen die fatalen Auswirkungen unregulierter Mikrokredite.
Im Textilsektor wiederum verschärfen sich die ohnehin schlechten Bedingungen weiter – und im Bündnis für nachhaltige Textilien droht eine Abkehr von einst hohen Ansprüchen. Einzig bei den Verhandlungen zum UN-Treaty geht es langsam voran – aber auch hier muss um jede Formulierung gerungen werden.
Um Formulierungen geht es auch in der öffentlichen Kommunikation zu all diesen Themen: Die Debatte um Unternehmensverantwortung für den Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima ist auch eine Frage des Narrativs. Wir alle kennen die Schlagworte: das staubige Bürokratiemonster, die gebeutelte Familienunternehmerin, die von zu vielen staatlichen Eingriffen ruinierte Wirtschaft. Diese vermeintlichen Argumente nimmt das Bürokratiemonster-Projekt genauer unter die Lupe und setzt ihnen mit den freundlichen Monstern, die Menschenrechte, Umwelt und Rechtsstaat schützen, einen alternative Erzählung entgegen.
Die Initiative Lieferkettengesetz lenkt mit ihrer neuen Kampagne den Blick weg vom einseitigen Fokus auf die Pflichten der Unternehmen – hin zu den Missständen, die das Gesetz verhindern kann und soll. Gestärkt durch die Unterstützung vieler Unternehmen, Kirchenverbände und Gewerkschaften rückt die Initiative ein positives Narrativ in den Mittelpunkt: Der Schutz von Menschenrechten, Umwelt und Klima ist möglich: „Nimm’s in die Hand – Rette mit uns das Lieferkettengesetz!“
Wir wünschen eine anregende Lektüre!
Herzliche Grüße
Sofie Kreusch und Heike Drillisch
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