Bessere Rechtsetzung für Menschen und Umwelt
Unter den Slogans „Bessere Rechtsetzung“ und „Bürokratiebremse“ verfolgt die Bundesregierung seit Jahren eine Politik des Bürokratieabbaus, die vordergründig auf die Entlastung der Wirtschaft zielt, dabei aber Umwelt-, Verbraucher- und Menschenrechtsschutz zur Disposition stellt. So gibt die Bundesregierung den Ministerien vor, bei neuen Gesetzesvorhaben die finanzielle Belastung der Wirtschaft vorab zu kalkulieren und an anderer Stelle entsprechende Entlastung zu schaffen. Der Nutzen einer Regelung für die Gesellschaft und selbst für Wirtschaftszweige, die von einer neuen Regelung profitieren könnten, bleibt dagegen meist unberücksichtigt. Das kann dazu führen, dass erforderliche Regulierungen zu Menschenrechten oder Umweltschutz mit Verweis auf bürokratische Lasten unterbleiben oder verwässert werden. Auch die Spielräume neuer EU-Richtlinien oder anderer internationaler Abkommen bleiben dadurch ungenutzt. Das Parlament wird entmachtet, da es einseitig informiert wird und für umfassende Folgenabschätzungen nicht über ausreichende eigene Ressourcen verfügt.
Auch die EU-Kommission verfolgte ab 2003 eine „Agenda zur besseren Rechtsetzung“, in deren Rahmen u. a. durch das REFIT-Programm (Regulatory Fitness and Performance Programme) EU-Regelungen auf den Prüfstand gestellt werden. Die überprüften Regelungen betrafen überproportional solche im Umweltbereich, geplante neue Regelungen etwa zum Bodenschutz oder Zugang zu Gerichten wurden gar nicht erst erlassen. Ein weiteres Reformpaket unter EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verschärfte die Agenda und hat weitreichende Auswirkungen auf die Art und Weise, wie die EU-Institutionen funktionieren und zusammenarbeiten. Zudem litt die demokratische Legitimität von Entscheidungsprozessen, da Interessenvertreter*innen der Wirtschaft privilegierten Zugang haben. Zahlreiche europäische Organisationen haben sich daher zum Better Regulation Watchdog zusammengeschlossen, um über die Gefahren der „besseren Rechtsetzung“ für soziale, ökologische und Verbraucherbelange zu informieren und diese Interessen gegenüber der Europäischen Kommission zu Gehör zu bringen.
Mittlerweile hat die EU die „Better Regulation Agenda“ in der bisherigen Form für vollendet erklärt. Insbesondere ist sie von der Vorgabe abgerückt, dass bei jeder neuen Regelung der Aufwand für die Wirtschaft an anderer Stelle reduziert werden muss („one-in-one-out“), da sie sich damit in ihrer politischen Handlungsfreiheit eingeschränkt sah. Auch das Umweltbundesamt spricht sich klar für die Abschaffung von „one-in-one-out“ und eine Gesetzesfolgenabschätzung aus, die Folgen einer Regelung für alle Gesellschaftsbereiche einbezieht. Die Bundesregierung aus CDU, CSU und SPD kündigt in ihrem Koalitionsvertrag vom Januar 2018 dagegen an, diese „One-in-one-out“-Regelung auf europäischer Ebene wieder einführen zu wollen.
Doch wenn der Aufwand für die Wirtschaft zur alleinigen Richtschnur wird, bleibt das Gemeinwohl auf der Strecke. Statt immer weiterer Deregulierung braucht es eine bessere Rechtsetzung für Menschen und Umwelt.
Wir fordern daher Bundestag und Bundesregierung dringend auf gegenzusteuern und:
- bei der Gesetzesfolgenabschätzung den Nutzen einer Regulierung für die Gesellschaft und indirekt betroffene Wirtschaftszweige verpflichtend einzubeziehen;
- im Zuge des Bürokratieabbaus nur solche Vorschriften abzuschaffen, deren Bürokratieaufwand kein nennenswerter Vorteil für Bürger*innen und Umwelt gegenübersteht;
- die „One in, one out“-Regel aufzuheben oder zumindest Vorschriften zum Schutz von Menschenrechten, Arbeitnehmer*innen und Verbraucher*innen sowie der Umwelt von der Bürokratiebremse auszunehmen.