Nicht auf Startseite
Ein Beitrag von Annabell Brüggemann & Philipp Jedamzik, ECCHR

 

Die zurückliegenden Monate seit dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung sind eine bittere Lektion für diejenigen in der Zivilgesellschaft, die sich seit Jahrzehnten für unternehmerische Verantwortlichkeit einsetzen. Doch das Beispiel Lieferkettengesetz zeigt: Statt Rückschritten braucht es Verbesserungen.

Zwar gelang es den Sozialdemokrat*innen, im Koalitionsvertrag mit CDU/CSU durchzusetzen, dass das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) nicht ersatzlos abgeschafft wird: Perspektivisch soll es durch ein „Gesetz über die internationale Unternehmensverantwortung“ ersetzt werden, welches die EU-Lieferkettenrichtlinie (EU CSDDD) in nationales Recht überführt. Zugleich versuchen die Gegner jedweder verbindlicher Regeln derzeit, die besagte und viel diskutierte Richtlinie auszuhöhlen und zu verwässern. Zudem wurde auf Drängen der CDU/CSU im Koalitionsvertrag vereinbart, das bestehende LkSG durch die Abschaffung von Berichtspflichten und die Einschränkung der Sanktionsmöglichkeiten weiter abzuschwächen. Ein entsprechender Referentenentwurf ist bereits in Vorbereitung und könnte im Herbst im Bundestag debattiert werden.

„Wer das Geld hat, hat die Macht, und wer die Macht hat, hat das Recht“, heißt es da passenderweise in einem alten Song der Band Ton, Steine, Scherben, der uns vor Augen führt, was Hegemonie bedeutet. Was also tun? Der Schutz von Menschenrechten und Umwelt muss weiter mühsam erkämpft werden und von einer organisierten Zivilgesellschaft gegen die Macht von Unternehmensinteressen verteidigt werden. Es gilt, gemeinsam mit Verbündeten auf nationaler und auf EU-Ebene falsche Behauptungen zu widerlegen, die Erfolge des LkSG zu unterstreichen und Betroffene weiter zu unterstützen, das LkSG zu nutzen und ihre Rechte geltend zu machen. Gleichzeitig müssen die Schutzlücken der bestehenden Gesetze aufgezeigt und eine Weiterentwicklung und wirksame(re) Durchsetzung im Sinne der Betroffenen immer wieder kritisch angemahnt und eingefordert werden. Der Erfahrungsbericht „Zwei Jahre Lieferkettengesetz“ von ECCHR, Brot für die Welt und Misereor versucht genau diesen Spagat.

Erfahrungen aus der Praxis

Der Bericht untersucht sowohl die Beschwerdemöglichkeiten für Rechteinhabende als auch die Prüf- und Kontrollpraxis der Aufsichtsbehörde, des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Außerdem analysiert er, inwieweit das LkSG dem Anspruch und Versprechen gerecht wird, die Menschenrechtslage in transnationalen Wertschöpfungsketten zu verbessern, und ob die Perspektiven von Rechteinhabenden, also den betroffenen Menschen entlang der Lieferketten, angemessen berücksichtigt werden. Vor allem aber fragt er, wo das Gesetz im Sinne der Menschenrechte noch verbessert werden muss.

Dafür haben die Herausgeber*innen 18 Beschwerden gegen deutsche oder in Deutschland tätige Unternehmen untersucht, die ihre Partner*innen und sie seit Inkrafttreten des LkSG 2023 eingereicht haben. Die Fälle stehen beispielhaft für die Menschenrechtsverletzungen, die das LkSG verhindern soll: Niedriglöhne, die Verletzung von Arbeits- und Gewerkschaftsrechten, Zwangsarbeit, aber auch Landraub und Umweltverschmutzungen.

Die Analyse zeigt: Das LkSG ist ein Meilenstein im Einsatz für verbindliche Regelungen für Unternehmensverantwortung. Gerade in der Anfangszeit nach Inkrafttreten des Gesetzes zeigte sich seine positive Wirkung, etwa wenn durch eine gestiegene Verhandlungsbereitschaft von Unternehmen konkrete Verbesserungen erzielt werden konnten. Mithilfe von Beschwerden gegen deutsche Supermarktketten gelang es Gewerkschaften in Ecuador und Costa Rica beispielsweise, einen Teil der Unternehmen an den Verhandlungstisch zu bewegen und auf einer Bananenplantage in Ecuador signifikante Lohnerhöhungen zu erreichen (auch wenn weitere Verstöße noch immer fortdauern).

Im Mittelpunkt stehen die Rechteinhabenden

Doch das LkSG kann sein volles Potenzial nur entfalten, wenn es wirksam um- und durchgesetzt wird – und genau daran hapert es: Beschwerdemechanismen, unternehmensintern wie auch direkt beim BAFA, weisen erhebliche Defizite der Zugänglichkeit, Transparenz und effektiver Abhilfe im Sinne der Rechteinhabenden auf. Zunächst müssen sowohl Unternehmen als auch das BAFA und die Bundesregierung das Gesetz und die damit verbundenen Möglichkeiten gegenüber Rechteinhabenden bekannter machen und über Beschwerdemöglichkeiten sowie -ergebnisse aktiv informieren. Die Sicherheit von Beschwerdeführenden muss genauso gewährleistet werden wie ihre aktive Beteiligung am gesamten Verfahren. Insgesamt muss die inhaltliche Ausgestaltung und Durchsetzung der gesetzlichen Sorgfaltspflichten darauf ausgerichtet sein, die Lage von Betroffenen tatsächlich zu verbessern. Dies setzt eine enge Einbeziehung von Rechteinhabenden bei jedem Schritt des Sorgfaltsprozesses der Unternehmen und in der Prüf- und Kontrollpraxis des BAFA voraus.

Viele der identifizierten Nachbesserungsbedarfe würden bei der Umsetzung der CSDDD in deutsches Recht adressiert – wenn sie denn kommt und zentrale Inhalte wie effektive Stakeholder-Beteiligung und zivilrechtliche Haftung erhalten bleiben. Vorstöße wie das erste Omnibus-Paket der EU-Kommission sind daher ein klarer Angriff auf die Menschenrechte von Betroffenen entlang globaler Lieferketten. Mit anderen Worten: Der Kampf um verbindliche Lieferkettenregulierung geht weiter.