Ein Beitrag von Robert Diendorfer, Forum Fairer Handel
Neben der EU-Kommission hat auch der EU-Rat einen Kurs eingeschlagen, der zur inhaltlichen Aushöhlung zentraler Kernelemente der EU-Lieferkettenrichtlinie führen würde. Die Hoffnungen ruhen nun auf dem Europäischen Parlament.
Schulterschluss zur weiteren Deregulierung
Ende Juni verständigte sich der EU-Rat auf seine Verhandlungspositionen zum Omnibus-Gesetzesvorhaben für die im Herbst anstehenden Trilogverhandlungen zwischen EU-Rat, Kommission und Parlament. Mit Blick auf die vorgeschlagenen Abänderungen zur europäischen Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) wird eines klar: Die Vorschläge haben nichts mehr mit – wie es Kommissionspräsidentin von der Leyen eigentlich angekündigt hat – „Vereinfachungen von Berichtspflichten“ zu tun, sondern stellen eine fundamentale Entkernung der Lieferkettenrichtlinie dar. So plädiert der Rat unter anderem für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf Unternehmen mit über 5.000 Mitarbeiter*innen und 1,5 Mrd. Euro Umsatz, womit nur noch ein Bruchteil der Unternehmen überhaupt unter die Regelung fallen würde. Zudem sollen sich Sorgfaltspflichten noch stärker auf direkte Lieferanten beschränken, wodurch eine angemessene und vor allem risikobasierte Sorgfaltsprüfung konterkariert wird. Mit seinen Forderungen geht der EU-Rat damit sogar über jene der EU-Kommission hinaus.
Das finale Zustandekommen der Positionen des Rates war zudem von hoher Intransparenz und unklarem Abstimmungsverhalten von deutscher Seite geprägt. Der Kompromisstext wurde von der polnischen Ratspräsidentschaft im Eilverfahren verabschiedet und es bleibt unklar, inwieweit es unter den Mitgliedsstaaten überhaupt eine Mehrheit dafür gab. Zudem ist ungeklärt, weshalb der Vertreter Deutschlands die Enthaltung der Bundesregierung nicht zu Protokoll gab, denn die SPD hatte der weiteren massiven Abschwächung der CSDDD nicht zugestimmt.
Politik gegen Verantwortung
Betrachtet man die aktuellen Entwicklungen zur EU-Lieferkettenrichtlinie, zeigt sich eine durchaus paradoxe Dynamik: Viele Unternehmen begreifen Nachhaltigkeitsregulierungen zunehmend als Chance und sprechen sich öffentlich für eine wirksame Gesetzgebung zu unternehmerischen Sorgfaltspflichten aus. Laut einer aktuellen Umfrage befürchtet die Hälfte der deutschen Unternehmen zunehmende Rechtsunsicherheit durch die immer neuen Vorschläge im Zuge des Omnibus-Verfahrens. Auf nationaler und europäischer politischer Ebene scheinen diese Stimmen allerdings weitestgehend zu verhallen. Die zentralen politischen Institutionen schlagen einen Deregulierungskurs ein, wobei völlig aus dem Blick gerät, wofür die Lieferkettenrichtlinie eingeführt wurde und was jene erwarten, die direkt von ihr betroffen sind. In Anbetracht dieser widersprüchlichen Entwicklungen stellt sich die Frage, wie weit sich diese Schere in Zukunft noch öffnen wird.
Kann das Europäische Parlament die CSDDD retten?
Für die im Herbst anstehenden Trilogverhandlungen richtet sich der Blick nun auf das EU-Parlament, das noch eine Gegenposition zum Verwässerungskurs des Rates und der Kommission einnehmen kann. Wenn es nach dem Chefverhandler des Europaparlaments zum Omnibus-Gesetz, Jörgen Warborn von der Europäischen Volkspartei (EVP), geht, besteht auch hier wenig Hoffnung auf eine Trendumkehr. Er präsentierte Mitte Juni seinen Bericht zur Reform der CSDDD. Die im Bericht vorgestellten Forderungen gehen über den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission vom Februar 2025 hinaus und sehen u. a. weitreichende Beschränkungen des Anwendungsbereiches vor. Die Fraktionen von Sozialdemokrat*innen und Grünen wollen dagegen die zentralen Elemente der CSDDD erhalten und es wird entscheidend darauf ankommen, ob die EVP bereit ist, sich auf die Positionen der Parteien zuzubewegen, die sie bei der Wahl von Kommissionspräsidentin von der Leyen unterstützt haben.
Die Abstimmung über die Parlamentsposition wird für Oktober erwartet. Es bleibt zu hoffen, dass das EU-Parlament die elementaren Grundpfeiler der EU-Lieferkettenrichtlinie gegenüber dem eigenen Chefverhandler und in den Trilogverhandlungen gegenüber EU-Kommission und Rat verteidigt. Hierzu gehören insbesondere, dass der risikobasierte Ansatz für die gesamte Lieferkette erhalten bleibt und die Zahl der erfassten Unternehmen nicht weiter abgesenkt wird. Die zivilrechtliche Haftung, die Umsetzungspflicht der Klimapläne sowie die wirksame Beteiligung von Stakeholdern sind weitere zentrale Elemente, die verteidigt werden müssen, wie die Initiative Lieferkettengesetz in ihrem Positionspapier ausführt.