(CorA-News Juli 2021) – Ende 2016 beschloss die deutsche Bundesregierung den ersten Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) – einen Plan zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland. Terminiert war der Plan bis 2020 – er ist also mittlerweile ausgelaufen. Die Herausforderungen im Themenfeld Wirtschaft und Menschenrechte waren und sind allerdings groß und es war absehbar, dass diese nicht mit einem einzigen Aktionsplan abzuarbeiten sind. Idealerweise hätte die Bundesregierung also direkt einen Folge-NAP anschließen sollen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte, das die Bundesregierung bei der Umsetzung des NAP berät und unterstützt, hatte bereits seit Sommer 2019 im Rahmen einer Zwischenbilanz bei den Stakeholdern Vorschläge für eine Weiterführung des NAP abgefragt. Noch liegt jedoch kein neuer NAP vor. Wie steht es also um den bisherigen NAP und einen möglichen Folgeprozess?

Ein Thema des NAP von 2016 erhielt mit Abstand die größte Aufmerksamkeit: Das Monitoring-Verfahren zur Frage, ob bis 2020 mindestens die Hälfte aller Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiter*innen die menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten in ihre Unternehmensprozesse integriert haben. Bei Verfehlung der Zielmarke sollten laut NAP weitere Schritte bis hin zu gesetzlichen Vorgaben geprüft bzw. laut Koalitionsvertrag eingeführt werden. Die Auseinandersetzung um die Methodik des Monitorings nahm daher breiten Raum ein und die zivilgesellschaftlichen Netzwerke wiesen immer wieder auf eine Reihe von Schwächen hin, die ein positives Abschneiden der Unternehmen begünstigten. Das Ergebnis der zweiten und entscheidenden Erhebung im Sommer 2020 war daher umso frappierender: Nur 13 bis 17 % der deutschen Unternehmen mit über 500 Mitarbeiter*innen erfüllten die Anforderungen des NAP. Nun war klar, dass eine gesetzliche Regelung folgen musste, was schließlich kurz vor Ende der Legislaturperiode mit der Verabschiedung des Lieferkettengesetzes erfolgte.

Doch der Nationale Aktionsplan enthielt noch viele weitere Vorhaben. Das betrifft neben Branchendialogen und Unterstützungsmaßnahmen für die Unternehmen auch eine ganze Reihe an Vorhaben, um der staatlichen Schutzpflicht im Bereich Wirtschaft und Menschenrechte nachzukommen – die sogenannte
erste Säule der UN-Leitprinzipien. Dabei geht es um die öffentliche Beschaffung, Außenwirtschaftspolitik und Handelsfragen, aber auch um Schutzpflichten im eigenen Hoheitsgebiet, also in Deutschland – zum Beispiel gegenüber Arbeitnehmer*innen in prekären Beschäftigungsverhältnissen wie beispielsweise Saisonarbeitskräfte in der Landwirtschaft. Auch die dritte Säule der UN-Leitprinzipien, der Rechtszugang für Betroffene von Menschenrechtsverstößen, ist ein wichtiger Bestandteil.

Derzeit erarbeitet die Bundesregierung eine Bilanz der bisherigen Arbeit am Nationalen Aktionsplan, einen sogenannten Statusbericht. Dieser soll im Juli veröffentlicht werden. Parallel dazu erarbeitet auch die Zivilgesellschaft eine Bilanz des NAP, denn zahlreiche Maßnahmen wurden noch nicht oder nicht ausreichend umgesetzt. Zudem wies der NAP wesentliche Lücken auf, z. B. bei der 3. Säule, dem Rechtszugang für Betroffene. Auch der Schattenbericht der Zivilgesellschaft wird im Juli diesen Jahres vorliegen.

Inzwischen ist allerdings klar, dass ein neuer NAP nicht verabschiedet wird, bevor nicht eine neue Bundesregierung gebildet ist. NRO und Gewerkschaften drängen darauf, dass der Erarbeitungsprozess eines Folge-NAP bereits vor der Bundestagswahl gestartet wird, damit die Ergebnisse auch in die Koalitionsverhandlungen einfließen können und die neue Bundesregierung den Folge-NAP zügig beschließen kann. Offensichtlich konnte darüber aber noch kein Konsens hergestellt werden. Das federführende Auswärtige Amt nimmt aber gern schon Vorschläge für eine Überarbeitung des NAP entgegen. Das CorA-Netzwerk und weitere Akteure der Zivilgesellschaft haben bereits eine ganze Reihe an Vorschlägen für eine Überarbeitung des NAP eingereicht und werden sie im Rahmen eines Schattenberichtes zur NAP-Umsetzung in Kürze veröffentlichen. Das beinhaltet einerseits eine konsequente Weiterführung und Nachschärfung von bereits bestehenden Maßnahmen insbesondere zur 1. Säule der UN-Leitprinzipien. Eine deutliche Verbesserung erwarten wir auch bezüglich des Rechtszugangs für Betroffene, also der 3. Säule der UN-Leitprinzipien. Schließlich – und nicht zuletzt – wird in den kommenden Jahren die Umsetzung des Lieferkettengesetzes im Fokus stehen. Dies werden wir auch im Rahmen der AG Wirtschaft und Menschenrechte intensiv begleiten und darauf hinwirken, dass die Umsetzungsbehörde BAFA das Gesetz im Sinne der UN-Leitprinzipien ambitioniert umsetzt. Um die Schwachstellen des deutschen Lieferkettengesetzes auszubessern, sollte sich die Bundesregierung zudem aktiv für eine ambitionierte europaweite Regelung und den UN-Treaty einsetzen. Wir sehen diese Maßnahmen auch als wesentliche Punkte für einen Folge-NAP.

Cornelia Heydenreich (Germanwatch)