Ein Beitrag von Celia Sudhoff, Global Policy Forum Europe und Koordinatorin der Treaty Alliance Deutschland
In Genf beraten Staaten und Zivilgesellschaft mithilfe von Rechtsexpert*innen über einen UN-Vertrag zur Regulierung transnationaler Unternehmen. Die Konsultationen zeigen: Der Weg zu mehr Gerechtigkeit ist offen – doch er braucht politischen Willen, klare Regeln und mutige Kompromisse.
Im April und Juni 2025 fanden in Genf drei thematische Konsultationen im Rahmen des „UN-Treaty“-Prozesses statt. Mehr als 40 Staaten und zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen beteiligten sich an den Sitzungen, in denen zentrale Begriffe, Schutzmechanismen und juristische Hürden intensiv diskutiert wurden.
1. Konsultation zu Art. 4, 5 und 7 – Menschrechtsschutz und Zugang zu Rechtsmitteln
Ein Hauptanliegen der Zivilgesellschaft war die Ergänzung des Begriffs „victim“ mit dem Zusatz „affected persons and communities“, um auch potenziell Gefährdete und Gruppen einzuschließen. Dieser Vorschlag wird von einer breiten Allianz von Staaten mitgetragen.
Ein weiteres zentrales Thema war der Schutz von Menschenrechts- und Umweltverteidiger*innen. Trotz bestehender UN-Resolutionen (z.B. UNGA 53/144) forderten einige Staaten wie China, Russland und Saudi-Arabien die Streichung von Artikel 5.2. Dies wurde jedoch von einer breiten Allianz aus Staaten, Zivilgesellschaft und den Rechtsexpert*innen abgelehnt.
Um Hürden beim Zugang zu Rechtsmitteln wirksam abzubauen, muss auch Artikel 7 weiterhin gestärkt werden. Insbesondere der freie Zugang zu Informationen, finanzielle Hilfen für Betroffene sowie die (progressive) Beweislastumkehr müssen im Vertragstext erhalten bleiben.
2. Konsultation zu Art. 6 und 8 – Prävention, klare Sorgfaltspflichten und Haftungsregelungen
Unter Artikel 6 wurde über das Verbindlichkeitslevel diskutiert: Die USA schlugen vor, dieses abzuschwächen, indem z.B. „shall“ durch „should take steps to“ ersetzt werden sollte. Die meisten Akteur*innen lehnten die Vorschläge ab – sie widersprechen bestehenden menschenrechtlichen Verpflichtungen. Kritik gab es auch an der engen Auslegung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten (Human Rights Due Diligence, HRDD). Brasilien, Mexiko, Panama und viele NGOs forderten, die gesamte Wertschöpfungskette statt nur direkte Geschäftsbeziehungen einzubeziehen.
Bei der Diskussion um Artikel 8 stand die Frage im Zentrum, wie zivil- und strafrechtliche Haftung sowie behördliche Durchsetzung in unterschiedlichen Rechtssystemen wirksam verankert werden kann– ohne dabei neue Schutzlücken entstehen zu lassen. Mit Artikel 8.6 quinquies brachten Palästina, Ghana und Südafrika einen Textbaustein zurück, der noch 2021 im Entwurf stand: Die bloße Einhaltung von HRDD-Bestimmungen darf nicht die Haftung im Schadensfall verhindern – damit Sorgfaltspflichten nicht zur bürokratischen Pflichtübung verkommen.
3. Konsultation zu Art. 9 bis 11 – Juristische Details mit großer Wirkung
In Artikel 9 soll die Doktrin des forum non conveniens, also dass ein Gericht sich für nicht zuständig erklärt, eingeschränkt werden, welche in der Praxis oft den Rechtszugang für Betroffene erschwert. Auch Erweiterungen des forum necessitatis, also die Notzuständigkeit eines Gerichts, wenn Betroffene anderweitig keinen Rechtszugang haben, fanden Zustimmung, trotz Widerstands von Wirtschaftsverbänden. Diese warnten vor „forum shopping“. Die Zivilgesellschaft entgegnete, dass davon bislang vor allem Unternehmen profitieren – Betroffene hätten oft nicht die Mittel für (mehrere) Klagen.
Einigkeit bestand darüber, dass schwerste Menschenrechtsverbrechen nicht verjähren dürfen – uneins blieb man über die präzise rechtliche Definition in Artikel 10. Artikel 11 stärkt die Rechtswahl der Kläger*innen, also dass sie bestimmen können, ob das Recht des Schadensortes oder des Heimatstaates des beklagten Unternehmens zur Anwendung kommt, was teils auf Bedenken zur Souveränität stieß – von Expert*innen aber als übliche Praxis gewertet wurde.
Fazit und Ausblick
Die ursprünglich für August 2025 geplante Konsultation entfällt zugunsten der Vorbereitung der 11. Sitzung im Oktober. Für Mitte September plant der Vorsitzende, einen Bericht über die Konsultationen zu veröffentlichen – mit technischen Lösungen und Kompromissvorschlägen.
Für Oktober wurde angekündigt, dass zunächst die Konsultationen 2025 und anschließend die verbleibenden Artikel 12 bis 24 besprochen werden. Bis 2027 soll dann im gleichen Format mit zwischenstaatlichen Konsultationen fortgefahren werden. Ob anschließend ein neuer, sogar finaler Textentwurf vorliegt, bleibt offen.
Eine ausführlichere Berichterstattung über die Konsultationen im April und im Juni ist beim Global Policy Forum Europe zu finden.
Vom Vorsitzenden wurden Non-Paper zu folgenden Artikel-Clustern veröffentlicht:
Der aktuelle Vertragsentwurf mit allen Textvorschlägen, die während der neunten und zehnten Verhandlungsrunde gemacht wurden, ist hier abrufbar.