Ein Beitrag von Eva Kleemann, Germanwatch
Mit dem Omnibus-I-Paket will die EU-Kommission Bürokratie abbauen und Wettbewerbsfähigkeit stärken. Warum die vermeintliche Vereinfachung der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung genau das Gegenteil bewirkt.
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet Unternehmen, ihre wesentlichen nachhaltigkeitsbezogenen Auswirkungen, Risiken und Chancen offenzulegen. Mit den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) stellt die EU dafür einheitliche Standards bereit, die strukturierte und vergleichbare Daten ermöglichen. Die CSRD bildet damit die Datenbasis des Sustainable-Finance-Rahmenwerks der EU. Erste verpflichtende Berichte von großen börsennotierten Unternehmen wurden bereits dieses Jahr veröffentlicht.
Ursprünglich sollten ca. 50.000 Unternehmen unter die CSRD fallen, ab 2026 auch viele Mittelständler mit mehr als 250 Mitarbeitenden und mehr als 50 Mio. Euro Umsatz. Nun schlagen EU-Kommission, Minister*innenrat und Parlament mit dem Omnibus-I-Paket, das auch die CSDDD erfasst, deutlich höhere Schwellen vor – teils bis zu 3.000 Mitarbeitende und 450 Mio. Euro Umsatz. Damit würden laut Berechnungen von Accountancy Europe rund 94% der Unternehmen ausgenommen. Das führt zwar vordergründig zu einer quantitativen Reduzierung durch weniger erfasste Unternehmen, schwächt aber die qualitative Breitenwirkung.
CSRD-Ausnahmen gefährden Transparenz und Investitionen in den Mittelstand
Die Vorschläge widersprechen außerdem den Empfehlungen der Europäischen Zentralbank, die eine Schwelle von 500 Beschäftigten vorschlägt, und des Draghi-Berichts, der eine vereinfachte, aber verpflichtende Berichterstattung für den Mittelstand fordert. Aus gutem Grund: Investoren betonen, dass standardisierte Daten die Voraussetzung dafür sind, Kapital in zukunftsfähige Technologien und Geschäftsmodelle zu lenken. Die Anhebung der Schwellenwerte drängt mittelständische Unternehmen zurück in die freiwillige Berichterstattung, wodurch Investoren der Zugriff auf standardisierte Informationen fehlt – und Mittelständlern Zugang zu Kapital. In der Folge drohen auch unkoordinierte einzelne Datenabfragen durch Investoren. Genau jene Ineffizienz, die durch die CSRD gelöst werden sollte, wird somit weiter verschärft.
Die für dieses Jahr vorgesehene Erstberichterstattung mittelständischer Unternehmen wurde auf Eis gelegt und damit die Pflicht, sich systematisch mit Nachhaltigkeitsthemen zu befassen und Wesentliches offenzulegen. Was sich nicht aufschieben lässt, sind die wachsenden realen Nachhaltigkeitsrisiken. So werden falsche Signale gesendet und Unternehmen ein zentrales Instrument und ein wichtiger Anreiz genommen, die Transformation auf einer fundierten Datenbasis voranzutreiben.
Unternehmen sind längst weiter – und verunsichert über die Pläne
Der Omnibus wirft Zeitpläne über den Haufen und verwirrt Unternehmen durch Diskussionen über bereits geltende Rahmenbedingungen. Neuesten Leaks zufolge erwägt die EU-Kommission beispielsweise eine erneute inhaltliche Abschwächung, indem sie selbst bereits berichtspflichtigen Unternehmen erlaubt, bestimmte Themenstandards vorübergehend auszuklammern und nur in stark verkürzter Form zu berichten – obwohl viele die entsprechenden Berichtsprozesse längst erfolgreich umgesetzt und angewendet haben.
Der Omnibus bewirkt damit genau das Gegenteil dessen, was er erreichen wollte: Denn Wettbewerbsfähigkeit gedeiht nicht in einem Klima der Unsicherheit und Bürokratieabbau gelingt nicht durch die Rückkehr zu nicht-standardisierter Berichterstattung. Statt Rückschritten braucht es gezielte Verbesserungen auf Basis der Erfahrungen der Erstanwender. Fokussieren sich Berichte auf nutzerorientierte, steuerungswirksame Informationen, sind sie auch für KMU machbar. Die laufende Überarbeitung der ESRS stellt deshalb einen wichtigen Schritt hin zu echter Vereinfachung dar.
Bereits im Juli 2024 hätte die Bundesregierung die CSRD in nationales Recht umsetzen müssen. Die Ampel-Regierung hatte diese Frist versäumt und konnte die Umsetzung dann aufgrund des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode nicht mehr abschließen. Nun unternimmt die schwarz-rote Bundesregierung einen neuen Anlauf und hat dafür eine kurze Verbändeanhörung durchgeführt. Das CorA-Netzwerk hat sich daran mit einer Stellungnahme beteiligt.